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🔥 Storytelling, TikTok, Emotionen: Was wir aus diesem Wahlkampf lernen können
Carline Mohr verrät, wie politische Kommunikation 2025 funktioniert – und was du daraus lernen kannst.

Hey,
letzte Woche habe ich hier geschrieben, dass es helfen kann, selbst aktiv zu werden, wenn einen die Nachrichtenlage überfordert. Also habe ich mit Blick auf den kommenden Sonntag überlegt: Wie kann ich meinen Beitrag zu einer hohen Wahlbeteiligung leisten?
Die Antwort war schnell klar: Diese Ausgabe dreht sich um politische Kommunikation. Denn Wahlkampf ist letztlich nichts anderes als Storytelling auf höchstem Niveau. Wer erzählt die überzeugendste Geschichte? Wer setzt sich digital am besten durch?
Dabei fiel mir sofort Carline Mohr ein. Sie hat als Newsroomchefin der SPD Olaf Scholz kommunikativ aufgebaut, zuvor war sie Chefin vom Dienst für Audience Development beim SPIEGEL, Head of Social Media bei BILD und stellvertretende Chefredakteurin bei Business Insider. Heute berät sie Unternehmen, Parteien und Einzelpersonen darin, bessere Geschichten zu erzählen.
Ich gebe zu: Meine Anfrage war mit einer gewissen Ehrfurcht verbunden. Nicht nur, weil sie eine der besten Storytellerinnen da draußen ist – sondern auch, weil ich wusste, dass meine Nachricht ziemlich kurzfristig bei ihr eintrudelt. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass sie sofort zugesagt hat. Von ihrem Input habe ich so viel gelernt, dass sich dieser Newsletter allein für mich schon gelohnt hat.
💡 Falls du Storytelling-Tipps aus erster Hand möchtest: Carline gibt regelmäßig Insights in ihrem kostenlosen Newsletter „How To Story“ – und ist auch als Kommunikationsberaterin und Digitalstrategin buchbar.
Jetzt aber rein ins Thema: Wie funktioniert politisches Storytelling? Wer hat den Wahlkampf digital dominiert? Und was können wir alle daraus für unser eigenes Marketing lernen? Let’s go! 👇

Carline, spätestens seit der letzten Europawahl wurde immer wieder darüber diskutiert, dass die AfD TikTok besser für sich nutzt als andere Parteien. Doch jetzt zeigt die Linke z. B. mit ihrer Offensive „Mission Silberlocke“ und ihrer Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek, dass man den Algorithmus auch anders spielen kann – sie zählt fast 500.000 Follower und enorm viel Engagement. Was müssen andere Parteien endlich verstehen, wenn sie digital nicht den Anschluss verlieren wollen?
Eine beliebte Frage im politischen Diskurs lautet: „Warum ist die AfD im Netz so erfolgreich und was können die demokratischen Parteien davon lernen?“
➡️ Die AfD hat auf Social schon immer besser „funktioniert“. Weil sie mit Hass, Angst und Polarisierung arbeitet, was die Interaktionen in die Höhe treibt. Das lieben die Algorithmen. Das können und sollten demokratische Parteien so nicht nachmachen.
➡️ Angst ist ein lähmendes Gefühl. Eines, das herunterzieht. Also nimmt die AfD vorhandene, reale Ängste und wandelt sie in Wut um. Auf die Ausländer, auf die da oben. Wut fühlt sich besser an. Sie ist aktiv und geht nach vorne. Wut findet eine Lösung. Denn wenn die Schuldigen nicht wären, wären alle Probleme gelöst.
➡️ Wut löst die höchsten Reichweiten in den Netzwerken aus. Die Mechanik dahinter ist klar: Wut wird häufiger geteilt und mehr kommentiert, was die Nutzer:innen länger auf der Plattform hält. Und die durchgeknallten Milliardäre im Hintergrund noch reicher macht.
➡️ Damals wie heute investiert die AfD viel mehr in ihre Auftritte auf digitalen Plattformen. Sie bauen sich ihre eigene Öffentlichkeit, weil sie die Presse als Gegner verstehen und ihre Botschaften auf den eigenen Kanälen völlig ungefiltert senden können.
➡️ Konkret bedeutet das: Die AfD denkt TikTok oder Insta in ihrer politischen Arbeit schon im ersten Schritt mit. Da werden Reden vor dem Parlament so strukturiert und vorgetragen, dass sie die perfekte Länge und die perfekten Punchlines haben, um bei TikTok zu funktionieren.
➡️ Demokratische Parteien standen nie so unter Druck, mit ihren Inhalten irgendwo im Internet stattfinden zu müssen. Sie investieren eher in klassische Pressearbeit. Würden die demokratischen Parteien ihre Pressestellen durch Video-Profis ersetzen, hätten sie sicherlich mehr Views. Wäre natürlich Unsinn.
“Politikerinnen und Politiker müssen bessere Geschichten über Demokratie erzählen. Nicht tanzen, nicht singen, nicht stitchen.”
TikTok und Social Media lebt vom persönlichen Engagement einzelner Personen. Und ich finde: Politikerinnen und Politiker müssen bessere Geschichten über Demokratie erzählen. Nicht tanzen, nicht singen, nicht stitchen. Sie müssen schneller, klarer und vor allem leidenschaftlicher erzählen, warum ihre Politik besser ist. Das macht Heidi Reichinnek hervorragend. Viele andere auch.

funk hat sich die Wahlkampf-Performance verschiedener Parteien mal genauer angeschaut. Quelle: Instagram (https://www.instagram.com/p/DF25uy4MRii)
👉 Carline hat für ihren eigenen Newsletter unter dem Titel “Der AfD-Trick für Demokraten” fünf konkrete Learnings zusammengefasst, die sich demokratische Parteien abschauen können. Die Ausgabe findest du hier.
Wahlkampf bedeutet für viele: Plakate mit austauschbaren Sprüchen, große TV-Duelle, vielleicht noch ein paar Instagram-Reels. Aber was passiert eigentlich hinter den Kulissen? Wie sieht digitaler Wahlkampf 2025 wirklich aus und welche Rolle spielt strategisches Storytelling?
🏁 Eine Kampagne folgt in der Planung dem bürokratischsten und behördlichsten Ablauf, den man sich vorstellen kann. Es gibt ein klares strategisches Ziel: „XY soll Kanzler:in werden.“ Dann werden unterschiedliche strategische Ziele definiert, die auf dem Weg dorthin erfüllt werden müssen: „Politiker:in Y muss Zielgruppe Z mit diesen Botschaften überzeugen.“
🔢 Dann werden zu den unterschiedlichen strategischen Zielen, kommunikative Ziele und Maßnahmen definiert. Strategisches Ziel: „Politiker X muss in einer Wähler:innenschaft der Mitte als verlässlich und kompetent wahrgenommen werden, ohne zu polarisieren.“ Eines der kommunikativen Ziele könnte lauten: „Den politischen Gegner als rechts (oder links) der Mitte zu positionieren.“ Die kommunikativen Maßnahmen, die dann ins Rollen kommen sind Interviews, Plakatkampagnen, Mitgliederkampagnen, Interviews, Reden und vieles mehr.
⚙️ Jedes einzelne Gewerk muss seine individuelle Strategie beitragen. Das klingt alles sehr trocken und technisch. Anders funktioniert es aber nicht. Nur, wenn alle Rädchen ineinandergreifen, funktioniert eine Kampagne. Jedes Detail, jede kreative Idee, muss ganz klar auf das übergeordnete strategische Ziel einzahlen.
“Jedes Mal, wenn irgendwo eine wütende Linkspolitikerin mit antikapitalistischen Parolen über zu hohe Mieten schimpft, erwische ich mich dabei, wie ich unwillkürlich nicke.”
Mal unabhängig davon, wer am Sonntag die meisten Stimmen holt: Wer hat aus deiner Sicht den besten Wahlkampf gemacht?
Ich finde die Linken extrem stark. Sie schicken viele gute Leute in die erste Reihe und betonen Themen, die die Leute in ihrer Lebensrealität abholen. Jedes Mal, wenn irgendwo eine wütende Linkspolitikerin mit antikapitalistischen Parolen über zu hohe Mieten schimpft, erwische ich mich dabei, wie ich unwillkürlich nicke.
Wer hat deiner Meinung nach die beste Wahlkampf-Kommunikation hingelegt? |
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Einfach umsetzen, direkt profitieren.
So bringst du Menschen vor der Kamera zum Leuchten! 💡
Politiker:innen, CEOs, Speaker – alle stehen irgendwann vor der Herausforderung, ihre Botschaft überzeugend rüberzubringen. Aber wie schafft man es, Menschen so zu positionieren, dass sie nicht nur kompetent, sondern auch charismatisch wirken? Carline Mohr kennt die Antwort. Ihr Auftrag 2019 lautete: „Carline, du musst Olaf Scholz zum Leuchten bringen.“ Ein sportlicher Auftrag für einen Kandidaten, der nicht gerade für große Emotionen steht. Ihr blieb nichts anderes übrig, als kreativ zu werden und mehr als einmal um die Ecke zu denken.

Carline Mohr mit Olaf Scholz. Foto: Anne Hufnagl
Doch mit den richtigen Tricks kann man die eigene oder fremde Kommunikation sichtbar verbessern. Hier kommen Carlines stärkste Hacks 👇
Es gibt keinen Schalter, den man einfach drücken kann und dann geht das Licht an. Das gilt für alle Menschen, die ihre Botschaften öffentlich platzieren müssen. Vielen Führungskräften der Generation Boomer und X fällt es schwer, auf Knopfdruck vor der Kamera locker, on point und authentisch zu sein. Es gibt aber ein paar Tricks, hier kommen drei:
💡 Schalter finden: Wenn man Menschen zum Leuchten bringen will, muss man herausfinden, welche Knöpfe man drücken muss. Das kann sehr unterschiedlich sein. Olaf Scholz zum Beispiel ist immer deutlich wacher, klarer und emotionaler, wenn man ihn ein bisschen provoziert. Statt zu sagen: „Erklär doch mal Gesetz X“, behauptet man: „Im SPIEGEL steht, Gesetz X ist nicht gut durchdacht.“ Dann bekommt man eine gepfefferte Antwort, bei der man nicht nach dem ersten Nebensatz einnickt.
🎤 Der Stand-Up-Trick: Wenn jemand zugänglich für Argumente und Strategie ist, kann man ihn vermutlich erstmal sachlich überzeugen, eine kommunikative Glühbirne mehr anzudrehen. Ich würde transparent eine Strategie des Testens und Herantastens vorschlagen. So wie ein Stand-Up-Künstler seine Gags und Punchlines erst vor kleinem Publikum antestet, bevor er sie auf die große Bühne bringt, würde ich mit geschlossenen, sichereren Runden anfangen. Dafür könnten sich interne Formate eigenen, wie Q&As, bei denen sich ein CxO wohl und sicher fühlt. Genau auf die Reaktion der Zuhörenden achten: Grinsen sie? Runzeln sie die Stirn? Schrecken sich zusammen? So kriegt man ein besseres Gefühl für Tonlage und Wirkung.
🐈 Der Kätzchen-Trick: Wenn jemand dazu neigt, einen gewagten Vorschlag erstmal abzublocken, schleicht euch wie ein Kätzchen leise an. Das braucht etwas Zeit. Eigentlich muss euer Chef oder eure Chefin alleine auf die Idee kommen. Das heißt konkret: Schafft ein Format, in dem das Thema, zu dem eure Chefin eine schlagfertige Antwort geben soll, zur Sprache kommt. Macht z. B. ein Kameratraining. Oder ein Video fürs Intranet, das ihr als Moderator:in begleitet. Lasst euren Chef etwas zum gewünschten Thema erzählen. Dann stellt ihr eine Nachfrage, in der ihr eine gewünschte Antworte anbietet: „Also du meinst, wir müssen mit Wumms aus der Krise kommen?“
👉 Übrigens: Für bessere Kurzvideos von Entscheider:innen aus Wirtschaft und Politik hat Carline Mohr mit ihrer “Social Video Masterclass” sogar ein eigenes Angebot geschaffen. Hier gibt’s alle Infos dazu.
Hat dir diese Ausgabe hooked. gefallen? Hast du etwas Neues gelernt? Dann freue ich mich über dein Feedback!
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